under:standing the Scouting – Auf der Suche nach Filmen für die 53. sehsüchte Edition

Sehsüchte erfindet sich jedes Jahr neu und entwickelt sich weiter. Schließlich setzt sich das Filmfestival jährlich neu zusammen. Dass es sich bei dieser Vorstellung nicht nur um eine Annahme handelt, wollten wir dieses Mal besonders anhand eines Aspekts der kuratorischen Festivalarbeit aufzeigen.

Ein internationales Nachwuchsfilmfestival hat sich diese Bezeichnung erst verdient, wenn es tatsächlich auch ein länderübergreifendes Filmprogramm kontinuierlich auf die Beine stellen kann. Gleich unserem diesjährigen Motto under:standing geht diese Erwartung nicht nur vom Publikum, sondern auch von uns selbst aus.

Denn wenn wir eines wollen, dann ein Festivalprogramm bereitstellen, das verschiedene Lebensrealitäten, Erfahrungen und Themen bereithält. Filme aus der ganzen Welt sollen sowohl uns als auch das Publikum überraschen, Einblicke und letztendlich Austausch über das Gesehene ermöglichen.

Herausforderungen gehen damit einher, denn nicht alle Länder der Welt reichen automatisch Filme bei uns ein. Wir müssen proaktiv werden, Leerstellen rechtzeitig entdecken und Leute zum Einreichen ihrer Filme motivieren. Um einen Überblick zu bekommen, welche Länder wie viele Werke eingereicht haben, wühlten wir uns noch vor dem Start des Call for Entries durch die Daten der letzten Sehsüchte Editionen.

Wenig überraschend die Erkenntnis: Viele Einreichungen stammen aus Europa, angeführt von Deutschland, Spanien und Frankreich, doch nicht von überall. Skandinavische Filmschaffende reichten zum Beispiel nur wenig ein. Tausende Kilometer weiter östlich haben uns Filme aus Ländern wie Afghanistan die letzten Jahre ebenfalls nicht erreicht, im Gegensatz dazu hat der südamerikanische Filmnachwuchs Sehsüchte besser auf dem Schirm. Jedoch stellte ein sehr, sehr großer blinder Fleck in den letzten Editionen der afrikanische Kontinent dar.

Alle Produktionsländer der diesjährigen Festivaleinreichungen auf einen Blick.

Dieser Zustand darf nicht fortbestehen. Natürlich mussten wir auch interne Arbeitsabläufe überdenken und strukturelle Probleme unsererseits überdenken. Durch die Analyse konnten wir uns auf konkrete unterrepräsentierte Regionen fokussieren und neue Kontakte knüpfen, was durch die Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Institutionen und nicht zuletzt großer eigener Recherchearbeit möglich wurde.

Einige Barrieren jener Leerstellen erweisen sich als vielseitig und zum Teil nicht pragmatisch lösbar. Wir stießen des Öfteren auf Sackgassen, wenn zum Beispiel Regionen unzureichende digitale Infrastrukturen besitzen und der Kontakt neben möglichen Sprachbarrieren zusätzlich erschwert wird. Und nicht zuletzt gibt es natürlich nicht überall auf der Welt eine so hohe Anzahl von Filmuniversitäten, -schulen oder -institutionen wie bei uns in Europa. Zudem gesellen sich schlicht Informationen, die uns aufgrund unserer Lebensrealität zwar logisch, aber nicht sofort ersichtlich waren: Filme zu erschaffen, bleibt weiterhin ein Handwerk, das oftmals an viele Privilegien geknüpft ist. Und das gilt ebenso für die Einreichung auf Filmfestivals.

Diese Umstände hinter den Kulissen bedeuten jedoch nicht, dass Sehsüchte dieses Jahr keine positive Entwicklung seitens der Internationalität hinlegt. Im Gegenteil.

Unser zusätzlicher Aufwand machte sich deutlich bemerkbar. Neu vermittelte und selbstrecherchierte Kontakte reichten Filme ein, was unter anderem dazu führte, dass wir dieses Jahr fast 1100 Filmeinreichungen verzeichneten; über 100 Einreichungen mehr als noch 2023. Insgesamt reichten verschiedenste Filmschaffende aus 89 Produktionsländern ihre Werke bei uns ein. Das ist eine Steigerung von fast 30% im Vergleich zur vorherigen 52. Edition. Allein im Hauptprogramm zeigen wir 69 Filme aus 35 Produktionsländern.

Dank Weltfilme e. V. wurden uns zum Beispiel Filme aus Sierra Leone, Ruanda, oder Togo zugänglich, wovon einer, „Sisters“, im offiziellen Dokumentarfilmwettbewerb antritt (zu sehen ist er am 26.04.2024 um 12:00 Uhr im Filmblock tight:bonds). Gleichzeitig legen wir in Kooperation mit dem Goethe Institut ein besonderes Augenmerk auf Afghanistan mit einem Special Filmblock „Blinks of Afghanistan”, welcher am Freitag, dem 26.04., um 13:30 bis 15:30 Uhr aufgeführt wird. 

Das sind nur zwei Fälle von vielen weiteren, wie wir nun erfolgreich die 53. Festivaledition konkret gestalten konnten. Die blinden Flecke werden also weniger und die Kommunikation für nachkommende Sehsüchte-Generationen weiter ausgebaut, um nachhaltig diversere Festivalprogramme aufzustellen. Am besten macht ihr euch selbst ein Bild vom Programm und besucht uns am Potsdamer Waschhaus vom 25.04. bis 28.04! Wir freuen uns auf euch!