„Geschmack ist total unterschiedlich.“

Jedes Jahr erstrahlt Sehsüchte in einem neuen Look. Ein Grund mehr, das Design und dessen Besonderheiten genauer zu betrachten. Verantwortlich für das diesjährige Grafikdesign sind Birte Rauch (24) und Carl-Friedrich Richter (30). Im Gespräch mit Eva Lütticke vom Sehsüchte-Team, verraten die Beiden, wie das Sehsüchte-Design entstand – von der ersten Idee bis zur visuellen Identität des Festivals.

Sehsüchte 2021
Das diesjährige Design besticht durch drei verschiedene Farbkombinationen.

Was hat für euch den Reiz ausgemacht für Sehsüchte das Design zu kreieren?

Birte: Für mich vor allem eine persönliche Verbindung, da ich seitdem ich in Potsdam wohne, jedes Jahr das Festival besucht habe. Dazu hat uns besonders die Vielfältigkeit des Sehsüchte Designs gereizt. Sonst hast du einen Auftrag – ein Plakatdesign oder eine Postkarte – und hier sind es einfach so viele verschiedene Aspekte.

Was genau gehört zur visuellen Identität von Sehsüchte?

Birte: Es startet mit der Grundidee, die ausgehend von dem Motto entwickelt wurde. Da galt es zu überlegen, wie kann das visuell aussehen und wie kann das Gefühl von Sehsüchte vermittelt werden? Und dann natürlich die ganzen Teilaspekte, die damit einhergehen: Printprodukte, wie Plakate, Postkarten oder das Programmheft hin zu der Anpassung des Webdesigns und schließlich sogar Bewegtbild.

Carl: Besonders aufregend ist es, die Grundidee weiter zu entwickeln und zu schauen, wie diese auf die jeweiligen Produkte umgesetzt werden kann. Funktioniert das, was wir uns zu Beginn vorgestellt haben? Das macht den Reiz am Grafikdesign aus, das wir immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt werden.

Design-Duo Carl-Friedrich Richter & Birte Rauch

Was ist euer Lieblingsprodukt, das ihr für Sehsüchte entwickelt habt?

Birte: Unser Lieblingsprodukt ist das Programmheft. Für uns war bei seiner Gestaltung besonders wichtig euch immer wieder aufs neue davon zu begeistern mit Traditionen zu brechen. 

Carl: Absolut! Es ist das komplexeste Produkt von allen. Im Programmheft fließen unglaublich viele Teilaspekte zusammen. Ich denke hier ist uns am Ende der Spagat zwischen Praktikabilität und Ästhetik sehr gut gelungen.

Wie läuft so ein kreativer Prozess bei euch ab? Ihr bekommt einen Auftrag für ein Produkt und was passiert dann?

Birte: White Boards. (lacht)

Carl: Wir haben erstmal ganz viel keine Ahnung und hinterher haben wir immer ganz viel Ahnung. Was dazwischen passiert, startet tatsächlich meistens auf dem Whiteboard. Zunächst schauen wir, was steckt in den Begriffen oder Dingen drin, die wir als Ausgangspunkt bekommen.

Birte: In eurem Fall haben wir ganz klassisch mit einem Brainstorming und einer riesigen Mindmap begonnen. Das ist immer super hilfreich. Dazu kommt dann jede Menge Recherche. Jeder versucht dabei herauszufinden: Was bedeutet das alles für mich und welche Bilder habe ich dazu im Kopf?

Sehsüchte 2021
Wie kann die fertige Grafik aussehen?

Carl: Wir schauen auch immer in die Vergangenheit. Was hat bisher gut funktioniert und was nicht. Was wünschen sich unsere Kund:innen und was nicht? All das lassen wir mit in den Prozess einfließen. Was zu Beginn die größte Hürde ist, ist den Punkt zu finden, an dem der Kopf von selbst weiterarbeitet und Bilder produziert. In eurem Fall, haben wir eine ganz spannende Herangehensweise gewählt: Im diesjährigen Motto “ignite” – steckt für uns vor allem eines: Ausgangspunkte für Bewegungen, in alle möglichen Richtungen. Wir haben ein Programm erstellt, dass diese Bewegungen sichtbar macht und uns so schließlich das Key Visual liefert.  

Birte: Der Ursprung des Key Visuals war das Sehsüchte Logo – die Flamme, die Flamme, die dann mehrfach abgewandelt wurde. Hier war die Herausforderung von dem bewegten Bild auf ein Standbild zu kommen. Also das eine perfekte Bild aus hunderten von Stills auszuwählen. Warum ist das Bild besser als das Bild eine Sekunde zuvor?

Wer hat bei euch beiden da das letzte Wort? Oder werden solche Entscheidungen immer heiß diskutiert?

Birte: Wir einigen uns schon irgendwann. Das passiert relativ organisch. Carl hat einfach viel mehr Erfahrung, weil er schon länger in diesem Bereich arbeitet und ich würde schon sagen, dass ich ihm da vertraue, wenn er sagt, dass etwas gut funktioniert.

Carl: Das beruht auf Gegenseitigkeit. 

Birte: Also wegen einem Standbild haben wir uns noch nicht in die Haare bekommen. (lacht)

Womit arbeitet ihr am liebsten? Gibt es bestimmte Techniken oder Programme?

Birte: Ein Blatt Papier und einen Stift, um Skizzen zu machen. Klar, digital arbeiten macht Spaß und ist cool, aber Papier und Stift in der Hand, ist noch mal was ganz anderes.

Carl: Ich bin auch ein richtiger Papier und Stift Typ. Es ist ein direkteres Medium, als sofort mit einer Layout-Software zu starten. Da dauert der Transfer vom Kopf zum Produkt in der Regel länger und man erzielt im ersten Anlauf meist ein eher enttäuschendes Ergebnis. Gefährlich, denn so verwirft man schon mal die ein oder andere gute Idee, weil das Erstergebnis enttäuscht.   Es lohnt sich daher zuvor einen guten Plan zu Skizzieren. 

Sehsüchte 2021
Die Sehsüchte-Sticker gibt es ebenfalls in drei Farbkombinationen.

Gibt es für euch Design-No-Gos?

Birte: Ich glaube nicht. Geschmack ist total unterschiedlich. Was vielleicht nicht so cool ist, sind Sachen zu designen, die quasi direkt im Müll landen.

Also spielt der Nachhaltigkeitsfaktor eine Rolle?

Birte: Ja, schon. Dass man sich überlegen sollte: ist das nötig? Und wofür macht man das?

Was genau bedeutet für euch Nachhaltigkeit im Design?

Carl: Nachhaltigkeit hat immer verschiedene Teilaspekte. Was nicht so cool ist, ist Dinge zu gestalten, die quasi direkt im Müll landen. Was als Designer oft schwer zu beeinflussen ist. Was passiert z. B. mit einer Grafik nachdem wir sie verkauft haben?  Aber wir versuchen Gestaltungsideen so umzusetzen, dass sie eine gewisse Zeitlosigkeit haben. Dass ein Prozess nicht immer wieder von vorne losgetreten werden muss, sondern man darauf aufbauen kann. Und natürlich können wir unsere Kund:innen auch beraten zum Beispiel im Druckprozess.

Birte: Aber auch wie langlebig die Sachen an sich sind. Das haben wir auch versucht bei Sehsüchte anzustoßen, beispielsweise beim Programmheft. Wie stabil soll das sein? Kommt es nach der Festivalwoche direkt in den Mülleimer oder sieht es noch schön aus und ich hebe es mir lieber auf. 

Carl: Oder nehmen wir mal die Teamwear: Sind die Sachen so designt, dass ich sie danach noch gerne trage? Oder fühle ich mich wie eine lebende Litfasssäule, wenn ich den Pulli trage? 

Sehsüchte 2021
Ein Teil der Teamwear sind Hoodies in Grau mit Lila-Visual.

Ihr seid beide Jungdesigner:innen. Startet also gerade euer Business und dann kam Corona. Was waren für euch die Herausforderungen im letzten Jahr?

Birte: Ich denke es ist ein großes Problem, dass momentan zum Beispiel viele Veranstaltungen wegfallen und dadurch auch unsere Möglichkeiten tätig zu werden schrumpfen. 

Carl: Schwierig finde ich die veränderte Form der Kommunikation zwischen den Teilhabern an einem Projekt. Sonst hat man sich getroffen und ausgetauscht, was gerade beim Design ein zentrales Thema ist – schnell Ideen zu kommunizieren und sich gegenseitig Dinge zu präsentieren. Es ist ein anderes Arbeiten geworden. Hätten wir beide uns hier nicht, um uns gegenseitig Feedback zu geben, wäre es schon…

Birte: ein sehr einsames Arbeiten.

Carl: Und ich glaube auch die Ergebnisse würden das am Ende widerspiegeln. 

Sehsüchte 2021
Birte & Carl: ein eingespieltes Team.

Ihr arbeitet zusammen und ihr lebt auch zusammen. Gibt es Vorteile, wenn man so eng zusammenrückt?

Birte: Auf jeden Fall. Wir mussten lernen, Dinge nicht mehr zwischen Tür und Angel oder beim Essen zu besprechen. Es klappt nicht immer, aber wir haben es uns vorgenommen. 

Carl: General muss man aufpassen, Arbeit und Privates nicht zu sehr zu vermischen. Das ist ein Prozess, der natürlich auch mich Corona zu tun hat. Dass wir beide ständig zu Hause sind bedeutet nicht, das man ständig für einander abrufbereit ist. Was auch nicht zu kurz kommen darf, ist der Spaß! Obwohl das unser erstes größeres Projekt zusammen war, hatten wir davon nicht zu wenig.

Birte: Ne, das auf jeden Fall nicht! 

Vielen Dank für das Interview!

Mehr Infos zu den Designer:innen findet ihr hier:
www.birterauch.myportfolio.com
www.friedrichter.de