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Stimmen der filmsis* Residency 2025

Was passiert, wenn feministische Perspektiven auf die Leinwand treffen – nicht nur im Film, sondern auch in der Kritik? Im Rahmen der filmsis* Residency auf dem Sehsüchte Festival 2025 ist genau das geschehen:

Eine Gruppe von Filmkritiker*innen hat sich mit feministischer Schärfe und persönlicher Reflexion Filmen gewidmet, die auf dem Festival gezeigt wurden. Herausgekommen ist eine Sammlung von Texten, die nicht nur Filmkunst analysieren, sondern auch gesellschaftliche Strukturen hinterfragen, persönliche Erfahrungsräume öffnen und neue Sehgewohnheiten fordern.

Hier sind die Ergebnisse!


Kritik: „Abseits – Ein ungleiches Spiel“ von Lina Heimann

Found Footage, Elemente der Desktopdokumentation und Familienvideos der Regisseurin Katja Stirnemann bilden in Abseits – Ein ungleiches Spiel, eine Collage, in der ungleiche Bedingungen im Mädchen bzw. Frauensport aufgezeigt werden und die darauf aufmerksam macht, wie sehr historisch gewachsene Geschlechterzuschreibungen den Sport durchdringen. Abseits verbindet Persönliches mit Strukturellem, indem die sportlichen Erfahrungen der Regisseurin aus Kindheit und Jugend mit historischen und aktuellen Ungleichheiten im Frauensport kontextualisiert werden. So wird prägnant vermittelt, wie sich die gesamtgesellschaftlich wirkenden Mechanismen auf eine Person auswirken können und gleichzeitig wird sichtbar, dass der Film das Thema nur anreißt und fast jedes Bild oder jeder Fakt neue Fragen und Anknüpfungspunkte aufwirft.

Mit der Anordnung des Video- und Bildmaterials werden immer wieder Kontraste sichtbar gemacht und Fragen gestellt, ohne dass diese explizit von der Voiceover-Narration angesprochen werden. So entstehen Freiräume, die Platz für Gefühle, Reaktionen und Fragen der Zuschauer*innen lassen, die vermutlich je nach Vorwissen und Positionierung zu den Inhalten des Films sehr unterschiedlich ausfallen können. Sogibt es z. B. eine Sequenz, in der aufgezeigt wird, dass die Aufteilung nach Geschlecht auch durch andere Aufteilungen ersetzt werden könnte. Obwohl dies nicht explizit benannt wird, dachte ich beim Anschauen sofort an den Ausschluss von trans* und inter* Personen im (Leistungs-)Sport und dem zumeist queerfeindlichen und rassistischen Diskurs dazu, wem die Teilnahme erlaubt wird – ich vermute aber, es wird auch Zuschauer*innen geben, die zum ersten Mal darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Einteilung in Mann/Frau keine natürliche ist.

Immer wieder zeigt die Doku auf, dass Frauen- und Männersport mit sehr unterschiedlichem Blick betrachtet wird und unterschiedliche Anforderungen für die Sportler*innen gelten. Dabei geht es bspw. um sexistische Kleidungsregelungen oder Unterschiede bei den auszuführenden Übungen oder Schwierigkeitsgraden. Das unkommentierte Nebeneinanderstellen von Sportsequenzen reicht, um die Absurdität und Konstruiertheit zu verdeutlichen, beispielsweise bei Bodenturnübungen von Turner*innen – bei den Übungen der Frauen spielen tänzerische Elemente und der „Ausdruck“ eine Rolle, bei Männern zählt einzig die sportliche Ausführung der Elemente.

Sehr treffend und teilweise humorvoll ist auch die Verwendung der Familienvideos der Regisseurin, einzelne Sequenzen werden wiederholt pointiert als Reaktionen auf dargelegte Ungleichheiten eingesetzt und drücken Frustration und Widerstand aus. Abseits fühlt sich so auch wie eine Einordnung und Aufarbeitung des Erfahrenen an, da das Wissen um strukturelle Ungleichheit etwas ist, was oft erst erlernt werden muss. Die Doku bietet einen Anknüpfungspunkt, um sowohl über persönliche Diskriminierungserfahrungen im Sport nachzudenken als auch darüber, wie gesellschaftlich über Geschlecht und Sport gesprochen wird und unterstreicht, dass – auch wenn gerne versucht wird, das auszublenden – Sport immer eine politische Komponente hat.


Kritik: „FearISH“ – Ein Blick auf das Trauma von Patricia Rosero Orrala

Als Teil des Programms „Focus Animation: Above Water“ auf der 54. Ausgabe des Internationalen Studentenfilmfestivals Sehsüchte ist FearISH ein vierminütiger Animationskurzfilm der iranischen Animatorinnen Soheila Madadi, Mona Abedin und Tara Attarzadeh. FearISH zeigt eine kraftvolle und fantasievolle Darstellung von Trauma und Angst mit einem unschuldigen, aber emotionalen Animationsstil.

Der stille Kurzfilm folgt dem Leben eines kleinen Fisches, der in einer ruhigen, ozeanähnlichen Umgebung lebt – einem Aquarium. Die Geschichte nimmt eine drastische Wendung, als der Fisch plötzlich von einer viel größeren und furchteinflößenderen Kreatur angegriffen wird. Der Angriff hinterlässt den Fisch verletzt und blutend. Interessanterweise ist der Angreifer nie klar zu sehen, was Raum für metaphorische und offene Interpretationen lässt. Vielleicht handelt es sich um die Hand des Fischfütterers, die den Fisch „versehentlich“ verletzt, was an den Spruch „Beiß nicht die Hand, die dich füttert“ erinnert, hier jedoch umgekehrt, als Symbol für Verrat und Gefahr, die von denen ausgehen können, die eigentlich Schutz und Nahrung bieten sollten.

Dieses traumatische Ereignis gibt dem Kurzfilm seinen Titel: FearISH.

Nach dem unerwarteten Angriff gerät der kleine Fisch in einen Zustand von Qual, Paranoia und Rückblenden. Er kann keinen inneren Frieden mehr finden und beginnt, seinen Angreifer überall zu sehen. Die zunächst vage Kreatur verwandelt sich für ihn in ein schreckliches Monster mit scharfen Zähnen. Schließlich verzehrt die Angst den Fisch vollständig und führt zu seinem Tod. Dieser tragische Wendepunkt verdeutlicht die anhaltende und oft tödliche Natur unbehandelter Traumata.

Der Animationsstil ist sanft und irreführend harmlos, leicht verdaulich. Trotz des Mangels an kräftigen Farben vermeidet der Film explizite Dunkelheit. Er nutzt runde Formen und große, funkelnde, ausdrucksstarke Augen der Hauptfigur, um die Zuschauerinnen in ein falsches Gefühl der Sicherheit zu wiegen. Dies spiegelt wider, wie sich Trauma hinter scheinbar unschuldigen Fassaden verbergen kann. Die Musik steigert sich parallel zur Handlung und begleitet das Publikum durch die emotionale Reise des Fisches. Dadurch wird der Kurzfilm für Zuschauerinnen jeden Alters zugänglich und wirkungsvoll. (Hier möchte ich darauf hinweisen, dass der Unterschied zwischen Form und Inhalt mit der feministischen Idee von Bell Hooks übereinstimmt: dass Schmerz und Gewalt oft unter Schichten von sozialer Höflichkeit, Schönheit und Unschuld verborgen sind – besonders im Leben von Frauen und marginalisierten Menschen. In diesem Fall ist es der sanft-aussehende, kleine und unschuldig wirkende Fisch, der dies durchlebt.)

Bemerkenswert ist, dass FearISH von drei iranischen Frauen geschaffen wurde, ein Fakt, der zu einer intersektionalen Lesart einlädt. Die dargestellten Angst- und Traumaerfahrungen könnten über das persönliche Leiden hinausgehen und kollektive Erfahrungen von

Unterdrückung und Überwachung symbolisieren – insbesondere in patriarchalen oder autoritären Kontexten. Angst ist zwar eine universelle Reaktion auf Bedrohung, doch sie wirft die Frage auf, was genau ihre Ursache ist – sei es persönlicher, sozialer, politischer, wirtschaftlicher oder ökologischer Natur.

Der Film zeigt, was passiert, wenn Angst unbehandelt bleibt: Sie verzerrt die Wahrnehmung, hält Figuren in einem dauerhaften Zustand von Kampf oder Flucht gefangen und hemmt emotionale sowie psychische Entwicklung. FearISH lädt dazu ein, darüber nachzudenken, wie tief sich Angst verwurzeln und die gesamte Realität eines Menschen prägen kann. Besonders bedeutsam ist der Film für Überlebende – und für alle, die Angst als lähmende Kraft erlebt haben.


Kritik: „Instantànies“ von Klara Wiedemann

Eine Momentaufnahme des Sommers. Ein Film wie ein Polaroid. Als Zuschauer*in taucht man in die intime Welt der vier Freundinnen ein und badet sich im Gefühl von Sommer, Sonne, Natur und Nähe. Durch die freundschaftliche Atmosphäre bahnt sich zwischen zwei der Frauen eine andere Art der Intimität an, die durchzogen ist von Unsicherheit, Aufregung und Vorsicht. Die Spannung hält sich den ganzen Film über und löst sich bis zum Abspann nicht vollständig auf. Trotzdem oder genau deshalb haben der nur im Spiel gefallene Kuss zwischen den beiden, sowie die sanften Berührungen, als auch das entstandene Polaroidbild eine Leichtigkeit, die sicherlich auch der sommerlichen Atmosphäre geschuldet ist.


Kritik: „Night of Passage“ von Yula Martin

Eingepfercht in einem Van, das wiederkehrende Schweigen ist beklemmend und Meysam, Leila und Arian geht das Trinkwasser aus. Dann ein Stocken, Stille, plötzlich springen die Autotüren auf und grelles Tageslicht schluckt das Bild. Wie aus langer Trance erwacht, laufen wir mit den Freund*innen auf der Suche nach Unterschlupf durch das Dickicht an der slowakischen Grenze. Die Not der Drei überträgt sich unmittelbar, Mohammad Reza Rasouli weiß, dass sie nicht ausformuliert werden muss. Im Gegenteil; der Film macht erfahrbar, was erzählt und doch nicht begriffen werden kann.

Wer in der deutschen Kinolandschaft nach vergleichbaren Beispielen der visuellen Unmittelbarkeit sucht, denkt vielleicht an Sebastian Schippers „Victoria“. Auch hier wird ein Tag zur Nacht (oder eine Nacht zum Tag). „Night of Passage“ ist kein One-Take und doch folgt die Kamera den jungen Menschen unermüdlich, als sei sie ebenfalls auf der Flucht.  

In Momenten der Ruhe erfahren wir von einer Liebesbeziehung, auf dessen Wiedersehen Leila am Zielort hofft, von Tabletten, für die Meysam dringend Wasser braucht und wir durchleben Konflikte, die erst durch tiefe Verbundenheit entstehen können;

In Momenten der Ruhe ist da nicht mehr nur die Flucht, still zieht es uns hinein in das Miteinander der Protagonist*innen, in das Leben, das sie zurückgelassen haben und die Welt, auf die sie danach hoffen.

Als sie einander verloren gehen, wartet plötzlich eine andere Welt auf sie. Vereinzelt, leer, bedrohlich. Und es drängen sich Visionen aus einer späten Zukunft auf: Wo werden sie angekommen sein, wen werden sie getroffen und wie werden sie ihre Geschichten erzählt haben? In dem Moment, wo sich ihre Schicksale vor unserem inneren Auge zusammensetzen, wird das Bild schwarz.


Kritik: „Moving Mountains“ von Charline Winter

Zwei Gestalten sitzen auf einem überdimensionalen Körper. Eine von ihnen schneidet ein Stück Haut heraus, dreht sich eine Zigarette daraus und stopft sie mit in der Nähe sprießendem Schamhaar. Das ist einer der absurd-komischen Momente im ansonsten beklemmenden siebenminütigen Kurzfilm „Moving Mountains“ von Jessica Poon. Mit einer Kombination aus minimalistischer Bleistift-Animation und düsterem Sounddesign wird eine geradezu apokalyptische Stimmung erzeugt. Kleine Figuren bewegen sich mit Booten zwischen gigantischen Versionen ihrer selbst, die in flachem Wasser liegen; sie erklimmen sie, drehen sie gemeinsam herum, halten sich an Hautfalten fest. Ihr Ziel bleibt im Dunkeln, was den surrealen Sog dieser Welt nur verstärkt.

Das Besondere ist, dass sich die dargestellten Körper jeglicher Geschlechtszuweisung entziehen: Sie sind nackt, haben aber keine Genitalien, keine Frisuren und nicht einmal eindeutig als menschlich erkennbare Gesichter. Das gilt sowohl für die kleinen als auch für die großen Figuren. Es wäre einfach gewesen, letztere mit femininen Attributen auszustatten und so einen Kommentar auf Objektifizierung und Ausbeutung weiblich gelesener Körper abzugeben – immerhin klettern die kleineren Figuren ungeniert auf ihnen herum und verletzen sie. Stattdessen legt der Film jedoch einen interessanten Fokus auf Körperlichkeit, die von jeder Geschlechtlichkeit losgelöst ist.

Mich persönlich hat das sehr angesprochen, weil die Stimmung und die Figurenkonstellation meine Erfahrung mit chronischer Erkrankung widerspiegeln: Ich liege halb versunken, halb tot im Meer und spüre, wie ich meiner eigenen Körperlichkeit ausgeliefert bin. Der Schmerz klettert auf mir herum, er wuchtet mich nach seinem Willen hin und her, er dreht Zigaretten aus meiner Haut und stopft sie mit meinem Schamhaar. Eine Symbolik, an die ich mich noch lange erinnern werde.

Laut dem Ankündigungstext handelt der Film übrigens von etwas anderem, nämlich von „Zusammenhalt und individueller Motivation in einer Gemeinschaft“. Zum Glück lese ich mir so etwas vorher nicht durch.


Kritik: „Still, fast unbemerkt“ und „Von 0 auf 180“  von Laurie Gaertner

Zwischen zwei Songs halte ich inne, auf dem Heimweg von Sehsüchte in der S-Bahn. Zwei Männer gegenüber von mir am fachsimpeln über dieselbe Filmreihe, die ich gerade gesehen habe. Sie könnten sich ja nicht genau vorstellen, ob es auch wirklich passiert sei. Sie müssten ja durch Storytelling sehen, was wirklich passiert sei. Doch STILL, FAST UNBEMERKT malt uns genau diese Graufläche aus ohne sie uns vorzukauen. Der Kurzfilm nimmt das Wort Vergewaltigung in den Mund und beleuchtet eine aufwühlenden Konfrontation der Protagonistin mit der Person am Morgen nach dem Ereignis. Die Tat klar, die Einforderung wird durch Fragen und Pausen dominiert  und die lückenhaften Erinnerungen der Protagonistin von der Nacht mit ihm werden aufgeschlossen…Ohne dass die Zuschauer*innen es vorgesetzt bekommen müssen.

VON  0 AUF 180 bewerten die beiden jedoch überraschend aufschließend: Neben dem thematisierten Generationskonflikt sei ihnen noch nie so bewusst geworden, dass es für Familien mit Migrationshintergrund eine Sprachbarriere zwischen Eltern und Kindern geben kann. An der Stelle gebe ich zu: Emotional trifft der Film die Frustration und den Konflikt der Aufopferung einer ausgewanderten Familie, die verbrannte Hoffnung für ein besseres Leben. Doch das Statement der Beiden hat mich persönlich getroffen, denn ich spreche auch nicht dieselbe Muttersprache wie mein Vater. Das war mir jedoch nie so deutlich wie an dem Tag bewusst geworden… Den Rest der Fahrt beschäftige ich mich damit, wie es möglich gemacht werden kann die heteronormative Wahrnehmung der Zuschauer*innen zu verändern – sowie auch meine Eigene. 


Kritik: „Do You Dream?“ – Ein Film, eine Begegnung. von Karla Fröhlich  

Manchmal kann ein Film wie eine unerwartete Begegnung sein, deren Nachwirkung man erst im Nachhinein spürt. Wie eine ausgestreckte Hand, die eine Veränderung in Gang setzen könnte. Einer dieser Filme auf dem Sehsüchte-Festival war für mich „Do you dream?“ Von Nisha Bidkar, gezeigt im Rahmen des Programmes „Headwind“.  

9 Minuten begleite ich die Filmemacherin bei einem Besuch ihrer ehemaligen Schule in Indien. Sie führt Gespräche mit Reinigungskräften mehrerer Generationen. Es geht um subjektive Erinnerungen und ihre Erfahrungen in Leben und Arbeit, patriarchale Hürden, Bildung und Träume als Privilegien. So kurz, so gut. Doch während der nächsten Tage bemerke ich, dass ich in Gedanken immer wieder zu ihm zurückkehre.  

Was ist es, das mich nicht los lässt?  

Vielleicht ist es die Strategie der radikalen Subjektivität: in dem die Filmemacherin selbst vor die Kamera tritt und ihre Beweggründe erzählt, bricht der Film von Anfang an mit der Fiktion der Objektivität. Kein Verstecken hinter der Kamera, stattdessen Sichtbarkeit: der Position der Filmemacherin im Kontrast zur Position der Arbeiterinnen- sonst den Blicken entzogen, und doch immer durch ihre Arbeit als essentieller Bestandtteil des Schulsystems präsent. Vielleicht die Arten der Blicke: auf die Arbeiterinnen, auf das Verhältnis zwischen ihnen, der Kamera und der Regisseurin. Vielleicht auch ihre Präsenz: ihr Strahlen, ihre Offenheit, ihr Interesse, dass Ich nicht als Selbstinszenierung, sondern als Zugewandheit verstehe; ihre Haltung, die sich auf die Erfahrung des Schauen überträgt. Vielleicht auch die Dialoge: auf Augenhöhe. Vielleicht auch die ungehörten Geschichten, die hier Raum erhalten.   

Und vielleicht auch die Bilder: die lichtdurchfluteten Gänge der Schule, die strömende Bewegung der Kinder, die die Vergangenheit mit der Zukunft verbinden.  

Sicher ließe sich vorwerfen, der Film sei sentimental, unkritisch, zu plakativ. Dennoch setzt er etwas in mir in Bewegung: ich richte den Blick auf meinen eigenen eingeschränkten Wahrnehmung – ich erinnere mich, meine eigenen Spielräume und Freiheiten nicht als selbstverständlich anzunehmen. Er zeigt eine andere Gesellschaft als unsere, doch lässt er mich auch an die an die unerwähnten Geschichten aus meinem Umfeld denken: von Menschen, die ihre Träume unterdrücken, die nicht die Möglichkeit hatten, aus den Verhältnissen auszubrechen, sich zu entfalten.

Was bleibt nun nach dem Film?

Ich stelle fest: es ist der Dialog, der mich nicht loslässt. Der Dialog der Figuren im Film, die zum Dialog mit mir selbst wird, sich aus dem Film ins Leben überträgt. Und vielleicht bleibt auch die

Impression der Hoffnung, der Stärke: eine Vision, wie eine sensible Art des Blickes und der Begegnung möglich ist, wie Filme Brücken bilden können.  Sich nicht nur erlauben, zu träumen, sondern auch die Wichtigkeit zu erkennen- und Film als Traumfabrik…? Also greife ich den Faden auf, die Aufforderung und leite die Frage weiter, mit der der Film endet und den Kreis des Titels schließt ; wem gehören deine Träume? Do you dream?    


Kritik: Söder von Fabia Wirtz

Die größte Kritik, die man an „Söder“  äußern kann, ist zum einen dem Format des Studierendenfilms geschuldet. Zum anderen ist sie vielleicht auch erstmal ein Kompliment: Ein paar Minuten mehr hätten der Story wirklich gut getan. Kerstin heuert online den Auftragskiller Söder an. Sie will ihren Mann loswerden, denn er hat die Kardinalssünde begangen: Er ist verdammt nervig. Blöd nur, dass Söder kein abgebrühter Profigangster ist, sondern ein dilettantischer Internet-Rambo, der durch überdrehtes Webdesign und Memes, die während des Films immer wieder eingeblendet werden, das Image des einzelgängerischen Kriminellen aufrechterhält. Als dann auch noch die Postlieferung der Mordwaffe ausbleibt, müssen Pläne umgeworfen werden. 

So schaukelt sich eine Geschichte zwischen drei Menschen, die alle auf irgendeine Art und Weise furchtbar sind, immer weiter hoch. Schon häufig bespielte Bilder vom Dorf und spießigen Ferienhäusern clashen mit absurdistischen Einspielern aus Söders Online-Präsenz. Die klassische Geschichte vom Loner, der aus Langeweile und Unsicherheit zu Gewalt greift, wird umgekrempelt, lächerlich gemacht und endlich nicht als tragisches Topos, sondern klar als Fehlentscheidung erzählt. Zumindest bis zum Schluss, in dem etwas zu schnell ein Ende gefunden werden muss, sodass viele der Motive auf der Strecke bleiben. 

Dennoch, in „Söder“ zeichnet sich wahnsinnig viel Potenzial dafür ab, wie schwarzkomödiantisch mit Fragen von Gewalt, Internet und Radikalisierung umgegangen werden kann.