Off To New Shores: Interview mit Prof. Dr. Susanne Eichner

Im Jahr 2000 leitete Susanne Eichner als Studentin selbst das Sehsüchte Festival – 23 Jahre später ist sie Professorin an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF und trägt die Lehrverantwortung für die 52. Ausgabe des internationalen Studierendenfilmfestivals. Im Interview sprechen wir über die neue Sehsüchte-Ära, die Perspektive des Lehrstuhls und welchen Food-Truck Sanne beim Festival besetzen wird.

2023 markiert den ersten großen Stabwechsel seitens des Lehrstuhls: Nachdem das Festival mehr als 20 Jahre unter der Obhut von Lothar Mikos lief, bist Du nun die neue Lehrverantwortliche. Welche Zukunftsvision des Festivals trägst Du in Dir? Was wird beibehalten und was möchtest Du ändern?

Das Festival ist als Lehrprojekt ein wichtiger Bestandteil im Studiengang Medienwissenschaft. Als solches hat es nicht nur als Event Strahlkraft, sondern auch als Teil des Studiums an der Filmuniversität. An Sehsüchte als Praxisprojekt lässt sich die Besonderheit des medienwissenschaftlichen Studiums gut  verdeutlichen: Die Studierenden bringen viele Kompetenzen, die im Studium vermittelt werden in das Festival ein und werden sie praktisch an – gleichzeitig haben sie aber auch die Gelegenheit eigenverantwortlich zu agieren und sich in der regionalen Medienbranche zu vernetzten. Diese Möglichkeit ist einzigartig und gibt den Studierenden der Medienwissenschaft schon im Studium die Möglichkeit, sich in der Praxis zu profilieren. Dieser Kern soll natürlich auch zukünftig beibehalten werden. Was ich mir aber für die Zukunft wünsche – und derzeit auch konkret plane – ist eine engere Einbindung der anderen Studiengänge. Neben Creative Technologies  und Filmkulturerbe besprechen wir derzeit, wie Szenografie, Dramaturgie und Produktion enger und beständiger ins Festival eingebunden werden können. Ich würde mir wünschen, dass das Festival in Zukunft wirklich als Veranstaltung von und für alle Studierende fungiert, wobei die Medienwissenschaftler*innen auch zukünftig die Gesamtverantwortung tragen werden.

Wie genau sieht Deine Rolle hinter den Kulissen aus?

Abgesehen von den begleitenden Seminaren ist es wichtig, im engeren Austausch mit der jeweiligen Gesamtkoordination zu sein. In der Regel haben wir wöchentliche Meetings, um uns auszutauschen. Darüber hinaus bin ich das Verbindungsglied zwischen dem Sehsüchte-Team, der Universitätsleitung, dem Verein der Freunde des Studierenden Film Festivals Sehsüchte e.V. und zu Kolleg*innen der anderen Studiengänge. Aber Sehsüchte ist auch ein Balanceakt zwischen möglichst viel Eigenverantwortung der Studierenden bei gleichzeitig vorhandenem „Sicherheitsnetz“. Das heißt, ich muss ausreichend Einblick haben, um gegebenenfalls unterstützend einschreiten zu können.

Wie kannst Du Deine eigene Erfahrung als Sehsüchte-Leiterin nutzen, um das Festival nun als Lehrende zu verbessern?

Meine eigene Studienzeit liegt ja schon ein paar Jahre zurück, trotzdem kann ich noch gut nachvollziehen, was es bedeutet, sich auf ein so großes Projekt einzulassen. Das Festival war zu meiner Zeit noch nicht ins Studium eingebunden – das ist erst mit der Umwandlung vom Diplomstudiengang in ein Masterstudium geschehen. Wir haben es also über das Studium hinaus quasi in unserer Freizeit organisiert. Gerade deswegen weiß ich natürlich aus eigener Erfahrung, wie das Festival zunehmend Zeitressourcen absorbiert und andere Studieninhalte überlagern kann. Diese Innenperspektive hilft mir einerseits die Studierenden zu verstehen und andererseits auch die nicht immer offensichtlichen Verbindungen von künstlerisch-wissenschaftlicher Lehre und praktischer Anwendung zu sehen – und hoffentlich auch zu vermitteln.

Was sind die größten Herausforderungen in Bezug auf Sehsüchte für Dich?

Genau diesen Balanceakt zu meistern: Ich möchte den  momentanen Stress antizipieren – und am liebsten sagen: “Klar, konzentriere Dich einfach ganz auf Sehsüchte”. Gleichzeitig ist es nicht Ziel des Studiums Eventmanager*innen in den Jobmarkt zu entlassen, sondern Expert*innen, die in der Medienbranche in unterschiedlichen Bereichen einen guten Job bekommen. Die theoretischen, analytisch-ästhetischen Fähigkeiten, Kompetenzen und Branchenkenntnisse werden eben nicht allein durch Sehsüchte, sondern durch das Gesamtpaket des Studiums vermittelt.

2000 warst du selbst mit einem Standortwechsel konfrontiert – genau wie wir in diesem Jahr. Welchen Tipp hast du für diese große Veränderung?

Als ich das Festival geleitet habe, war die Filmuniversität noch auf die Villen am Griebnitzsee verteilt und das Festival fand seit einigen Jahren auf dem Studiogelände Babelsberg statt. Legendär war die Wiese zwischen Marlene-Dietrich-Halle und dem Kino als sozialen Treffpunkt – aber auch der Festivalclub, den wir im Studio aufgebaut hatten. Wir brauchten damals aber eine zweite größere Spielstätte und haben das Kino im fx Center dazu genommen. Diese Lösung war nicht von Anfang an da: Bevor wir das fx Center bekommen konnten, haben wir zahlreiche Möglichkeiten diskutiert – bis hin zu einem Zirkuszelt. Aber mehrere Spielstätten verlängern die Wege zwischen den Veranstaltungsorten. Mein ganz praktischer Tipp für dieses Jahr: Viele und gut sichtbare Wegweiser zwischen den Spielstätten sind wirklich wichtig! Und ich hätte damals gut einen Scooter brauchen können, um Zeit und Energie zu sparen!

„Das größte Studierendenfilmfestival Europas“ – warum klappt es bei uns eigentlich so gut?

Es klappt so gut, weil sich seit den 1990er Jahren jeder Medienwissenschafts-Jahrgang immer wieder darauf einlässt, das Festival auf die Beine zu stellen. Und mit jedem gelungenen Jahr addiert das zum guten Ruf des Festivals und zieht neue Studierende an, die sich nicht zuletzt wegen Sehsüchte bei uns bewerben. Ich denke, dass auch die Mischung aus größtmöglicher Eigenverantwortung innerhalb eines geschützten Rahmens viel zum Erfolgskonzept beiträgt.

Wenn Du die Sehsüchte-Wunschfee treffen würdest, was würdest Du Dir für das Festival wünschen?

Dass die finanziellen Unsicherheiten möglichst gering sind! Und jedes Jahr neuen, großartigen Nachwuchs. Bisher hat das hervorragend funktioniert. Aber alle, die sich vielleicht selbst dafür interessieren: Die Bewerbungsdeadline für unser Masterstudium ist am 15.05!

Wo siehst Du Sehsüchte in zehn Jahren?

Sehsüchte gibt es in seiner jetzigen Form schon seit fast 30 Jahren. Davor war es als FDJ Studentenfilmtage Teil der damaligen Hochschule für Film und Fernsehen. Ich sehe keinen Grund, warum es in 10 Jahren nicht mehr gebraucht werden sollte.

Jetzt mal ehrlich: Auf welche Sektion freust Du Dich am meisten?

Ich habe keine generelle Lieblingssektion, aber dieses Jahr freue ich mich besonders auf das Sehsüchte Special zum Iran. Dazu findet am Donnerstag um 14:00 auf dem Theaterschiff ein Panel mit dem Thema „Frauen, Leben, Freiheit, Film“ statt und es gibt zwei Filmblöcke – Fokus Iran 1 am Donnerstag um 16:00 Uhr und Fokus Iran 2 am Freitag um 17:00 Uhr.

Vielen Dank! Verrat uns doch zum Schluss: Wo finden wir Dich auf dem Festival? Bist Du Team Dauerhaft-im-Kinosaal oder probierst Du Dich durch die Food-Trucks? 

Dauerhaft im Kino schaffe ich (leider) nicht – dazu ist das Festival auch viel zu sehr ein Ort der Kommunikation und der Vernetzung. Deswegen werdet ihr mich auch sicherlich viel zwischen den Spielstätten finden – gerne mit leckeren Häppchen in der Hand.